Gestern wurde der neue Schalker Hoffnungsträger Domenico Tedesco der Presse vorgestellt. Hartgesottene Schalker kennen das Spiel natürlich schon, weswegen es auch immer schwieriger wird, echte Aufbruchstimmung zu entfachen. Ein junges, frisches Gesicht kann Schalke gut tun – doch letztlich wird auch er an seinen Leistungen gemessen. Diese sind auf Schalke noch nie als rein sportlicher Erfolg definiert worden. Um das kommende Jahr im Amt zu überstehen, wird er vor allem an folgenden 04 Aufgaben gemessen werden.
#01 Langfristige Bindung von Identifikationsfiguren
Matip, Sané, Kolasinac – binnen 12 Monaten haben gleich drei Schalker Eigengewächse und Leistungsträger den Verein verlassen. Während es für Sané noch eine stattliche Ablöse gab, verließen Matip und Kolasinac den Verein ablösefrei. Wirtschaftlich ist das eine mittlere Katastrophe, doch noch schwerer wiegt der Verlust von echten Identifikationsfiguren. Alle drei haben die Knappenschmiede durchlaufen und sind auf Schalke zu Nationalspielern gereift. Das sind die Stories, nach denen der Schalker Anhang lechzt. Tedescos Aufgabe wird es sein, selbiges bei Meyer und Goretzka zu vermeiden und mit ihnen frühzeitig zu verlängern. Schafft er dies nicht, drohen die nächsten ablösefreien Abgänge.
#02 Attraktiver (!) Fußball
Attraktiver Offensivfußball war das so ziemlich einzige Versprechen, mit dem Weinzierl und Breitenreiter angetreten waren. Beide haben dieses Ziel nicht erfüllen können. Die Gegenfrage ist natürlich, ob das ein eher lang- oder kurzfristiges Ziel wäre. Verletzungen können hier schwer wiegen, damit hatten auch beide Trainer zu kämpfen. Doch Attraktivität heißt auf Schalke auch immer Kampf. Der alte Kumpel- und Malocherklub möchte vollen Einsatz über 90 Minuten sehen. Das darf man vom aktuellen Kader absolut erwarten. Schafft Tedesco hier einen Wandel, so wird er die Bindung der Fans zurückgewinnen und kann vielleicht so etwas wie Teileuphorie entfachen.
#03 Finanzielle Konsolidierung
Die verpasste Europa-League-Teilnahme wirkt nicht nur sportlich, sondern auch wirtschaftlich schwer. Tedescos Aufgabe wird hier in einer genauen Abwägung bestehen: Wer soll den Verein verlassen und vor allem, wer soll vom knappen Budget verpflichtet werden? Von den teuren Vorjahersverpflichtungen hat lediglich Bentaleb zu überzeugen gewusst. Konoplyanka und Stambouli müssen sich erst noch beweisen, bei Embolo steht die Bewertung noch aus. Viele Transfers wird sich Tedesco nicht leisten können – und von denen sollte erst recht keiner ein Flop sein.
#04 Kontrolle über die Mannschaft
Auffällig ist, dass sowohl Breitenreiter, aber vor allem Weinzierl erhebliche Probleme mit Teilen der Mannschaft hatten. Im Falle von Weinzierl scheint das selbstverschuldet zu sein. Ohne Vertrauen der eigenen Spieler ist sportlicher Erfolg schlicht nicht möglich. Das wird eine große Herausforderung für Tedesco, der ein bislang unbeschriebenes Blatt im Trainergeschäft ist; einige Profis sind älter als er. Die große Frage wird sein, ob er sich Respekt verschaffen kann, ohne anzuecken wie Weinzierl. Julian Nagelsmann zeigt, dass dies möglich ist. Allerdings sind die Hoffenheimer Ambitionen auch stets kleiner gewesen als die Erwartungen auf Schalke.
Die Herausforderungen für den neuen Trainer sind also groß. Anders, als viele Außenstehende vermuten, sind sie allerdings weniger sportlicher Natur, sondern betreffen vor allem das Verhältnis zur Mannschaft und den Fans. Hier sollte sich nachhaltig etwas ändern, ansonsten werden die Knappen sich an leere Ränge gewöhnen müssen.