Irgendwie hatte es Breitenreiter geschafft: die Anhänger hatten den Begriff Krise bisher vermieden. Er konnte immer den Eindruck vermitteln, dass das Teil des großen Entwicklungsprozesses wäre. Dann aber kam das Rückspiel gegen Donezk.
Es sind diese Spiele, die man nie wieder sehen wollte. Blutleeres Gekicke. Aber es war auch Breitenreiters Versprechen bei Amtsantritt, dass die Fans solche Spiele nicht mehr sehen müssen. Schalke war vom frühen Gegentor unbeeindruckt. Im negativen Sinne. Das heißt: Man spielte einfach so weiter, als stünde es noch 0:0, als wäre ein Punkt ja OK. Das Problem: Die Gruppenphase ist vorbei!
Dann war sie wieder da, dieser alte Schalker Fehlerkette. Einer schießt den Bock und alle machen mit. Ein fehlerfreies Spiel ist unrealistisch. Das schaffen Bayern oder Barcelona. Entscheidend ist jedoch, dass die Mannschaft individuelle Fehler wie die von Matip kollektiv kompensiert. Das hat die deutsche Nationalmannschaft 2014 gezeigt. Aber Schalke hat solch ein Team schon sehr lange nicht mehr gehabt. Das hat auch nicht unbedingt etwas mit dem Alter zu tun, das zieht sich wie ein roter Faden durch den ganzen Kader.
In den letzten Jahren wurde vor allem auf die technische Qualität der Neuverpflichtungen geachtet. Im Ergebnis wurden Transfers wie der von Sam oder Boateng getätigt. Doch das ist der große Irrglaube. Seit Jahren ist Schalke nicht in der Lage, fünf, sechs Stammspieler aufzubieten, die das bieten, was die Fans verlangen: Kampfbereitschaft. Wer kann aktuell als Publikumsliebling bezeichnet werden? Vielleicht Uchida, aber der hat in dieser Saison noch gar nicht gespielt. Vor ihm? Asamoah. Und davor? Dann sind wir fast schon wieder im Jahr 1997, als das ganze Team aus Publikumslieblingen bestand.
Publikumsliebling werden Spieler, die immer 100% geben. Sicher, hätte es Heller statt Boateng geheißen, hätten sich einige Fans staunend umgesehen. Aber die Kritik an der Erwartungshaltung des Publikums, die Breitenreiter und Fährmann formulierten, ist nicht das größte Problem. Es ist vielmehr die Erwartungshaltung von Tönnies und Manager. Von Saison zu Saison sucht man nach dem Puzzleteil, das den Kader komplettiert. Verkannt wird, dass es vielen Spielern im Kader schon an der richtigen Grundeinstellung mangelt.
Problem zwei ist hinlänglich bekannt und beschreibt den Leistungseinbruch von Neuverpflichtungen. Boateng und Sam sind nur die Spitze des Eisberges. In dieser Saison ist es Di Santo. Eigentlich ein Stürmer für 15 Tore, doch auf Schalke trifft er nichts. Auch Höjbjerg muss man hier erwähnen, denn er wurde ausgeliehen, um der Mannschaft sofort zu helfen. Andererseits ist es auch ein Offenbarungseid, wenn Breitenreiter eben jene Spieler immer wieder beruft. Sicherlich ist Di Santo aufgrund der Verletzungen und nicht von Trainingsleitungen in den Kader gerutscht, doch vielleicht sollte man lieber (weiter) auf frische Jugendspieler setzen.
Damit verbunden ist Problem drei, die mangelnde Konstanz. Sowas wie zehn Spiele ohne Niederlage gab es seit gefühlten Jahrzehnten nicht mehr. Und falls doch, dann lief es vorher oder nachher so schlecht, dass man über dieses Polster nur froh sein konnte. Zu Saisonbeginn gab es zum Beispiel fünf Siegen, die der November dann egalisiert hat. Noch einmal: Niemand verlangt den Gewinn der Meisterschaft. Es geht um Tugenden, die von den Underdogs wie Paderborn, Darmstadt, früher Mainz, ganz früher Cottbus an den Tag gelegt wurden. Das Gefühl, dass man noch in der 90. den Ausgleich schießen kann. Das kann man nicht lernen. Wenn die Mannschaft nicht im Kern aus solchen Mitspielern besteht, dann passiert das, was wir seit Jahren beobachten. Durchwurschteln ohne Plan. Aber die Luft wird dünner. Konkurrenten wie Gladbach oder Leverkusen haben aber eine Idee, wie sie Fußball spielen wollen, und wenn sich Projekte wie Mainz kontinuierlich weiterentwickeln, werden wir überholt.
Wenn diese Nachricht nicht bei Heidel ankommt, wird sich auch unter ihm nicht viel ändern. Man braucht einen Masterplan und dieser muss langfristig umgesetzt werden. Aber wenn Tönnies weiter Öl ins Feuer gießt, völlig überbewertete Spieler wie Boateng holt, um kurzfristig Stimmung zu machen und gleichzeitig Eintrittspreise erhöht, erzeugt er Erwartungen, die nicht erfüllt werden können. Gerade deswegen muss man unbedingt am Trainer festhalten. Er soll jetzt die Konstante darstellen, die dem Verein bislang fehlte.